02.05.2022

Skizze Oktobermorgen

von Theresa Kohlbeck gelesen am 09.11.2021

Der Hegelplatz liegt still und menschenleer im Nebel an diesem Oktober Morgen.
Es ist Montag 8 Uhr. Früher waren hier die akademischen Bierhallen.
Heute ist hier nicht mehr Windler der königliche Hoflieferant,
sondern ein Medienbüro. Das Antiquariat ist zwischenzeitlich geschlossen.
Wo die Markisen einst Tische und Stühle der Gastronomie überspannten ist jetzt ein Parkplatz.

Dennoch, ein Hauch von Geschichte ist in der Luft.
Geschichte, die mir nicht egaler sein könnte in diesem Moment.

Wir stehen vor dem Haupteingang der Dorotheenstraße 24, ich oben auf den Stufen. Du weiter unten.
Deine Haut weiß wie der Oktobernebel, der in der Ferne um Hegels Kopf wabbert.

Ich sehe deine Umrisse noch heute, wenn ich dort stehe. Besonders im Spätherbst.

Du hast darauf bestanden mich zur Arbeit zu bringen, in aller Herrgotts-Frühe.
Zwei Jahre später frage ich mich noch, warum ich an diesem Tag überhaupt arbeiten gegangen bin.

Unbedingt wollte ich Herr:in der Lage, meiner Emotionen, sein.

In der Ferne Hegels Büste auf steinernem Podest.
Zwischen Blau und Grün schillernd rinnt Kupfer seine Säule hinab.
Dieselbe abstoßende Farbe haben auch die Rahmen der Glastüren hinter mir.
Kupfer-Hegel- Grün, seine Gesichtszüge ernst.

Doch ich sehe nur wie deine dunklen Augen mich traurig ansehen.
Dein rotes Haar ist einziger Farbklecks in mitten herbstlicher Tristes.
Grau, braun die Umgebung. Du fliegst bald nach Hause zu deinem Verlobten.
Er weiß nichts von mir, ich weiß nicht viel von ihm. Jahre wirst du noch durch meine Gedanken kreisen.
Ein Abschied, auf gewisse Weise für immer.

Es ist schon komisch wie ich keine Vögel am Hegelplatz erinnere.
Die Gerippe der Bäume stehen dort im Nebel. Jedes Jahr im Oktober.
Es ist gruslig anzusehen.
Genauso wie die laublosen Bäume werde ich mich zukünftig lautlos lieblos fühlen,
wenn ich hier stehe und Hegels pupillenloser Blick an mir vorbei sieht.
Das Absolute existiert nicht und fand doch hier ein Ende.

Du hast ein Bier-Sommelier Zertifikat. Es hat eine gewisse Komik.
Hinter dir das Haus eines seinerzeit populären Bierlokals.

Gestern hast du mir ein Bild von Arthur auf Signal geschickt.
Dein neugeborener Sohn.