14.10.2020

Wolken der Venus

Oktober 2020

Die beste Nachricht der letzten Wochen: in den Wolken der Venus ist vielleicht Leben. Was bedeutet das für uns? Es bedeutet, dass sich der Wohnungsmarkt in Kreuzberg vielleicht irgendwann entspannt. Die Dachgeschosswohnungen werden dann erstmal in den Venuswolken gebaut und die Kinder können dort besser Trampolin springen. In den Venuswolken wird es gute Ramen geben und auch Spätzle, und die Wolken der Venus sprechen ihre eigenen Sprachen, es wird also auch einen multilingualen Kindergarten geben, aber nur mit Sprachen, die einem dann später irgendwann auch was bringen, sonst heißt es, die Kinder könnten gar nicht richtig Deutsch. In den Wolken der Venus sind auch die Decken schön hoch und es leuchtet immer ein rosafarbenes Nachtlicht, an dem man sich orientieren kann. Die Hundescheiße fällt einfach herunter, sie landet dann wahrscheinlich in Spandau, aber das ist nicht so schlimm, wenn man in den Wolken der Venus leben darf. Die Venuswolken fühlen sich nicht an wie Zuckerwatte, sie sind stabiler und haben eine Badewanne und einen Balkon. Die Wolken der Venus zu beleben, bedeutet, sie mit Dielenboden auszulegen und dann eine Kommode von eBay irgendwie da hoch bekommen zu müssen.
Vielleicht ist schon jemandem aufgefallen, dass ich eigentlich einen Text über die Wohnungssuche schreiben will. Ich will nicht dazugehören und mich beschweren, aber wer gerne umziehen möchte, der muss Zettel kleben und hoffen, dass die Hälfte von Kreuzberg bald auf die Wolken der Venus umzieht, sie können auch die Einbauküchen haben, ich würde gern eine Eisdiele behalten dürfen, die anderen gebe ich auch auf.
In den Wolken der Venus ist jede Himmelsrichtung Süden. Manchmal ziehen unbelebte Wolken vorbei, aber das ist in Ordnung, denn man weiß ja auch nicht, wie schön der Sonnenschein ist, wenn es nie mal Schatten gibt. Die Temperaturen sind bei 26 Grad oder bei -3, damit es auch mal Schnee gibt, in den Wolken der Venus gibt es also kaum Klima und somit auch keinen Wandel. Wandel mag das Leben in den Wolken der Venus ohnehin nicht so gerne, es ist ja alles gut so, wie es ist.
In den Wolken der Venus bekommen nur Nazis Corona. Das habe ich jetzt nur gedacht, nicht gesagt. Es läuft nie zu laute Musik im Café. Man muss keine Angst mehr haben. Eine Utopie, in der es wenig Mitspieler gibt. Die meisten bleiben doch mit beiden Füßen mitten auf der Erde stehen. Keine Angst mehr. In den Wolken der Venus fragt man sich nie, wie schnell die neuen Schuhe sinken würden, wenn man sich mit ihnen sanft ins Wasser legt, über dem die Beine baumeln, während man liest.