23.02.2021

ich lag da so und du hast gefragt woran ich denke und ich war verwirrt und dann hab ich gesagt

Februar 2021

da liegt eine luftblase. da liegt sie, in freundlichen teilen der n. ordsee. in seichtem: man sieht schaumlachen und salzkrümel und aufgesplittertes gesprenkel. warmes pipiwasser. sie liegt da so, die luftblase, verbogen in drei teile. in länge und breite ausgestreckt. in jenem einen winkel x.x und y.y, dass sonnenstrahlen sich brechen in zyklische farbspektren, die noch an das vorabendprogramm glauben. eine strukturierte lichteinstrahlung, die sinnhaftigkeit noch aus kontinuität und zuverlässigkeit zieht. wie klebriger käse. jeder wochentag besitzt seine eigene spektrale lichtzusammensetzung, absorbiert das licht auf seine weise. das war an diesem teil der n. ordsee immer so gewesen und deswegen wird es auch immer so sein. da steht im kalender, montag: ein lullendes blau. dienstag: frech hüpfendes grün (mit zu schriller krawatte und strengem gerusch, vielleicht moschus). mittwoch: rosé. ein bisschen verspielt. ein bisschen horny. das ganze ein durchaus praktisches phänomen für  mich, diese physik mit licht und wellen und so, die da so liegt mit mir in dieser luftblase.  da liege ich und ein einlullendes blau gähnt in meine blase herein und da ist es montag. da liege ich da und denke aha es ist montag und da zieht alles vorbei in blauen tönen. das ist doch ganz gut zu wissen, durchaus. dann kann ich tun was montage verlangen in einer luftblase, in einem freundlichen teil der n. ordsee, in diesem winkel x.x und y.y, den ich mir ausgedacht habe.

drehe ich in liegender position den kopf 45 grad zur seite kann ich die konsistenz von einem wasser-und-plankton-gemisch erkennen. außerdem tiere vorbeiziehen. da kommt links das verwischte orange einer oktopusform, halbdurchscheinend, rechts die beharrlich gleichförmige bewegung der rückflosse eines delfins, sich auf mich zu und von mir weg bewegend. eine herde seeschwämme von oben herunterrieselnd (ohne existenzkrise), dann ein hammerhai mit blähungen (ohne die ansätze einer hüfte). klugscheißer*innen würden konstatieren, diese spezien wären unüblich für die geographischen begebenheiten der n. ordsee und überhaupt was verstände ich von der darmaktivität eines über 2m großen knorpelfisches. nun wohl war, ich bin keine meeresbiologin und was klugscheißer*innen erzählen interessiert mich nicht; ich bin selbst eine und das hat mich noch nie davon abgehalten, mir dinge auszudenken, die so nicht möglich sind. nehmt die umstände doch einfach an, sowie ich, die hier liegt. die rausschaut. die hammerhaie mit blähungen vermutet, dort, irgendwo im pipiwasser. sehe ich tiere, tue ich nichts als starren. tatsächlich eine extrem befriedigende tätigkeit, die nicht viel mehr körperaktivität benötig als augen aufreissen und furzblasen eines sphyrnidae fokussieren. sie alle, diese tiere, ignorieren mein wesen, augen starr durch mich hindurch oder in eine weite blickend; eine weite, die ganz und gar ihnen gehört, auch wenn das egal ist. eine weite, die vertraut erscheint, eine vertraute weite. ihre mienen wirken auf mich mensch ausdruckslos. irgendwie auch weise, aber irgendwie auch sehr doof. das macht mich manchmal sehr neidisch, die ich da so lieg, so oder so.

durch die in länge und breite ausgestreckte lage in den winkeln x.x und y.y, die ich mir so ausgedacht habe, bleibt die lichteinstrahlung in meiner blase beständig sympathisch. einmummelnd, einbröselnd, gutmütig, träges gähnen eines lichteinfalls. doch im laufe der zeit habe ich ungewöhnliche parallelen der gezeitenschwankungen zu meinen inneren gemütszuständen festgestellt, die stutzig machen, mich. wie ich da so liege und es ist mittwoch und rosé und da kitzelt eine brise horniness durch meinen körper, da scheint die see mir keck entgegen zu wehen. ein unterwasserwind haucht mir dinge zu, die mich rot werden lassen. liege ich da und wut wellt in mir herum, dann kann ich durch meine blasenfenster ein waschechtes gewitter über der see aufziehen sehen, das schwöre ich so wahr ich hier liege! es ist nicht zu leugnen, dass diese umstände zu einem hang des größenwahns bei mir geführt haben. ich bin mir inzwischen ein bisschen sicher, dass ich gott bin. aber ich habe es noch niemanden verraten, damit niemand denkt, meine tassen wären nicht da, wo sie in einem gut sortierten hausstand hingehören. manchmal bin ich mit absicht wütend, dann rumore ich durch meine blase, brülle und fluche da drinnen und da draußen grölt und röhrt und blitzt und tut es genau wie ich. das macht so spaß, wenn ich schreie und draußen entlädt sich eine elektrostatische aufladung ins meer und tut gar so als hätte das rein gar nichts mit mir zu tun.

manchmal habe ich genug vom gott sein. vom rumgeblubbere. dann rolle ich mich hinab in den blasenkeller. da steht die stille im raum. da ist nichts außer einem außerordentlich gewöhnlichen, doch außerordentlich gemütlichen bett mit einem daunenkissen. außerdem ist da eine fruchtfliege. sie ist schüchtern. ein stilles exemplar, aber immer zutraulicher. sie glotzt gerne und hüstelt. an beschwingten tagen nenne ich die fruchtliege bertha und fütter sie mit krümeln. manchmal trinken wir whiskey und tanzen walzer. das bett schweigt dann; es mag keine rührseligkeit. wenn es draußen donnert, schreie ich die fliege an: DU HAST JA WOHL EIN RAD AB, KONRAD!  dann guckt die fruchtfliege schuldig und fliegt davon. summt mit ihrer fruchtfliegentherapeutin über toxische verhaltensweisen und red flags, aber das ist ihr ding, summ summ summ. es kommt vor, dass panische momente in mir aufsteigen. dann weiß ich kurz nicht mehr wo ich bin. ob der ort in mir, der n. ordsee heißt, wirklich existent ist und ob ich wirklich in mir liege. ich weiß dann nicht mehr, ob der körper in mir ist oder ich in einem körper. in höchster verzweiflung schlage ich atlanten auf, suche nach meeren mit punkt. als nächstes bekomme ich richtig angst, dass die wirklichkeit nur konstruiert ist und dann fällt mir wieder ein, dass ich schon weiß, dass die wirklichkeit nur konstruiert ist und das beruhigt mich. ich habe zudem die strategie entwickelt, in diesen momenten die augen zu schließen und gedanklich alle namen aufzuzählen, die mir für fruchtfliegen einfallen. auch das hilft bei panickattacken, die auch sonnengefütterte orte in der n. ordsee heimsuchen, da will ich gar nichts beschönigen. nur so viel dazu. selten, urplötzlich, bekomme ich post. dann stehe ich schwankend auf. dann baue ich mir eine höhle und da krieche ich rein. verharre bis 00:01h, hole eine taschenlampe heraus, die mein opa mir vor 2500 jahren zu weihnachten geschenkt hat UND DANN öffne ich briefe, wo da so steht so oder so ähnlich: wir vermissen dich. liebe grüße vom kottbuser tor. dann weine ich ein bisschen. das bett und die fruchtfliege (sie wird nun henriette genannt) schauen mich mitleidig an. es nieselt. ich schlafe ein. am nächsten tag ist das wetter indigo, es ist donnerstag und ich zähle drei meeresschildkröten und einen höckerfrosch an meinem fenster vorbeiziehen.

Illustration: Dorothea Müller

Illustration: Dorothea Müller