28.09.2023

Slawische Kontexte

September 2023

Abends sitze ich in einer Bar am Halleschen. Um den rustikalen Kamin schlängeln sich rote Sofas überzogen mit schwerem, sattem Samt. Es ist eine dieser Bars, in denen ein schwarz gekleideter Mann die Getränke an den Tisch bringt. Er hat gute Laune und scherzt mit dem anderen schwarz gekleideten Mann, der die Drinks mixt. Ich bestelle ein zu teures Bier und stoße verhalten mit meiner Verabredung an. Ein Typ und zwei Freunde von ihm.

Eine junge, dünne Frau und ein Kerl, der Jeanne Philipp heißt, jedoch in slawischen Kontexten gerne „Pavel“ genannt werden will. Das scheint auch seine interessanteste Eigenschaft zu sein, abgesehen von einem metallisch glänzenden Flachmann, den er ab und zu herumreicht.
Sicher empfindet er den prätentiösen, vulgären Flachmann als gewollten Bruch zu seinem geleckten Auftreten. Der Mut zum Korn fehlt ihm aber, in dem Flachmann ist lediglich teurer Whisky.

Gestern sagte mein Vater zu mir:
- Wir müssen keinen DNA-Test machen, um zu sehen, dass wir slawisch sind.

Zuhause griff ich mir vor dem Spiegel an die Wangenknochen. Ich presste meine Finger ans Fleisch.

Die junge Frau spricht ununterbrochen. Gerade erzählt sie von ihrer Familie, die über den ganzen Globus verteilt und sehr groß ist. Trotzdem versuchen sie sich einmal im Jahr zu treffen. Das wäre ein großes Fest, letztes Mal in Florida. Da habe es ihr jedoch nicht gefallen, langweilig dort.

-Ich fände Mexiko total cool. Warst du da nicht backpacken?
Wendet die junge Frau sich an den Typen, mit dem ich eigentlich verabredet war.
Danach geht es um Flughäfen und welche Getränke dort zu empfehlen sind. Ein sehr spezifisches Thema, zu dem ich nichts beitragen kann. Mein Bier ist bald leer, ich will jedoch ungern ein weiteres kaufen. Am Flughafen ist Whisky die beste Wahl.
-Ein Drink zum sippen.
Sagt die junge Frau.
-Würde gerne noch ein Bier sippen
denke ich.
-Tequila ist zu energetisch
Diese Menschen scheinen Flughäfen wirklich gut zu kennen.

David Meyer
Das Foto zeigt einen Innenraum mit hoher Decke, von der eine große Lampe hängt. Am Boden stehen viele Tische aus dunklem Holz mit Stühlen, die fast alle leer sind. Am Ende des Raums, das von der Kamera am weitesten entfernt ist, sitzt eine Gruppe Menschen in schwarzer Kleidung, bei der eine Kellnerin steht.