28.02.2019

Nachverfolgung von Straßendokumenten

Februar 2019

 

Es ist zu warm, und zu kalt. Ich entscheide mich gegen den Tag und gehe spazieren. Draußen zittert die Luft. Wer zu lange auf Scheiben starrt, bringt sie zu Bruch, also halte ich den Blick nach vorne gerichtet. Es ist ruhig hier – Unterführungen dämpfen die Zeit. Wer sie betritt, bewegt sich auf einmal durch zäheren Schleim. Von der Autobahnbrücke schaut mir eine Taube zu, die Flügel ordentlich gefaltet. Sie wartet. Am Straßenrand steht ein Motorrad, moosgrün geworden; es passt sich der Umgebung an. Beim Auftreten schade ich dem Geh-weg, aber er hat versprochen, es mir nachzusehen. Ich denke übers Schreiben nach, und über die Schilder an jeder Ecke, auf die nur kurze Blicke fallen und um die sich kaum jemand kümmert. Vor dem Geschäft duckt sich Obst unter die Markise und gegenüber steht ein Fisch-restaurant. Ich sammle Informationen und schreibe sie auf wie bei einer Observation: Feuer-wehrzufahrt, eine Matratze auf dem Bürgersteig, das 30-Zone-Schild steht schief. Gerade schief, nicht umgeknickt, als hätte es sich bewusst für die Karriere als lokale Sehenswürdigkeit entschieden. Aber das hier ist Berlin. 

Ich gehe weiter. Graublaue Häuser mit Balkonen; aus dem Augenwinkel betrachtet, rücken sie näher zusammen. Die Kreuzungen sind überschaubar, aber ausgewalzt, um Platz zu schaffen. In den Seitenstraßen verstecken sich geometrisch perfekte Schulgebäude. Es gibt Hirsche in den Fenstern und eingemeißelte Sonnen über den Türbögen. Die Schilder verschwimmen: Bitte den Rasen nicht betreten. Bitte das Paradies nicht betreten. Hunde sind fernzuhalten. Sie haben sich fernzuhalten. Hunde haben sich das Paradies vorgestellt. Ich überprüfe mein Zeitgefühl und liege um zehn Minuten daneben. Irgendwo ist ein Pfeifen zu hören, und überall Sirenen am Start. Die Luft zittert heftiger. Ich traue mich kaum mehr, den Blick zur Seite zu wenden, aus Angst, damit eine Ladenfront zu zerschlagen. Die Häuser rücken zusammen, und ich mache mich schmaler, um weiterhin auf den Bürgersteig zu passen. Zeit für den Rückweg.