11.08.2020

liste von dingen die mir aufgefallen sind

August 2020

es fällt mir schwerer, meine eigenen geheimnisse für mich zu behalten, als die von anderen. jeder mensch braucht ja seine geheimnisse. wie definiert man, was ein geheimnis ist?

die glücklichsten momente schreibt das wasser, es spült das blut durch die körper und brüllt dabei: du bist hier. du bist hier. du bist hier. auch wenn man sich schon lange nicht mehr hier gefühlt hat sondern eher da drüben. da bei der bushaltestelle, da an der straßenecke, ein stück kreide, mit dem ein kind auf den asphalt gemalt hat und es dann vergessen, blass gefärbt. das wasser brüllt: du bist keine kreide. du bist hier.

man kann die postkarten schreiben, auch wenn man nicht dort war. liebe alle, heute haben wir unsere zehen in die wiese vom central park gehalten und ein eis gegessen. wir sind so glücklich hier, die stadt hat sich kaum verändert. in portland hat noch niemand das tränengas auf der zunge geschmeckt. es küsst euch – d.

immer wieder greifst du, während du einschläfst, in meine haut. als ich dir einmal vom schreibtisch dabei zuschaue, wie du einschläfst, greifst du in die leere luft. was war zuerst da, meine haut oder das greifen deiner zarten finger?

es ist so erschlagend einsam, empathisch zu sein, dass ich es gerade nicht mehr kann. man kann scheinbar die empathie verlegen wie eine strickjacke, man streift sie ab, weil es nicht geht, weil sich das herz umdreht. am hauptbahnhof um fünf uhr morgens sehen wir eine frau mit ihrer tochter auf einer bank schlafen, das kind ist vielleicht sieben oder acht. im ice, mit flauem gefühl im bauch, weil es so früh ist, streife ich die empathie ab und finde sie seither nicht, sie kommt manchmal in albträumen oder in plötzlichen, beinahe bösen momenten.

man kann sehr giftig sein und wütend und vor sich hin giften und wüten, bis am telefon jemand sagt: es ist so krass, menschen machen alles, wenn sie ausrasten, weil sie so tief verletzt sind und so tief unglücklich. stell dir mal vor, wie krass das ist. alle sind verletzt, alle sind ständig voneinander so verletzt, dass sie rumbrüllen. und das hilft plötzlich mehr als alles andere und weckt vielleicht ein bisschen die empathie. es ist auch für andere erschlagend einsam, es tut so weh, und oft teilt man sich die schuld in krumme stücke wie geburtstagstorten und dann wird es laut.
es widerspricht mir, wenn menschen von ihrem eigenen stolz sprechen. „ein bisschen stolz wird man ja noch haben“, „dafür bin ich zu stolz“. man kann ja vielleicht auch wenig stolz haben und trotzdem eine würde. stolz ist nämlich kein menschenrecht, die würde sollte es allerdings schon sein. ich habe schon sehr oft dinge gemacht, die mich in meinem vermeintlichen stolz verletzt haben, aber mein würde scheint intakt. ich hasse mich nur manchmal selbst. ich bin auch stolz auf dinge, die ich geschafft habe, aber ich besitze keinen stolz. vielleicht könnte man das ja trennen.
die katze würde aus dem fenster springen, ließen wir sie. sie ist nicht zu stolz.