11.07.2023

Die Siedlung

Juni 2023

Wikimedia Commons / Equivalent - photograph by Alfred Stieglitz (MET, 28.128.8)

Abends lief ich den Weg von der von einem rostigen Maschendrahtzaun umschlossenen Siedlung mit ihren sorgfältig abgetrennten rechteckigen Grundstücken und den mittelhohen Palmbäumen zu dem Grillimbiss hinter dem Busbahnhof, an dem ich ein paar Tage vorher unter einem seltsam nach außen gewölbten Nachthimmel und in einem Zustand der vollkommenen Ermüdung angekommen war. Ich hatte mich beim Rasieren vor dem Aufbrechen geschnitten und blutete heftig aus dem linken Ohr, immer wieder blieb ich in periodischen Abständen stehen, beugte meinen Kopf in Richtung Wegesrand und tropfte mehrere Minuten gezielt auf die dunklen Ginstersträuche. Beim Streifen des Geländes zählte ich die Blickeinheiten auf, die sich wie bei dem umgekehrten Prozess der Fotoemulsion in mehreren Schichten in meinem Gedächtnis festgesetzt hatten: die blauen Nitroglycerinkannister, hinter einer verbrannten Hecke wahllos aufeinandergetürmt, der Schutt und Mörtel, der von einem Industrieturm ablätterte und die schmale Straße mit einem feinen Staubgewebe überzog, die ovalen Nebenfelder an den Ausläufern eines von Berghängen umschlossenen Talgrunds, in dem dem das Gebiet, in dem ich mich fortbewegte, lag. Im Kiosk kaufte ich Artischocken, Feigenmarmelade und Vollkorntoast. Ich musste den Besitzer erst aufwecken, er dämmerte mit geschlossenen Augen, den Kopf auf den weißen Plastiktisch gebettet, im vorderen Teil des Ladens. Hinter den grünen Perlen-Vorhängen lauerte ein Kreisverkehr. Auf dem Platz saß ein Kind auf dem Boden und deutete weinend auf einen im dunstigen Abendlicht langsam verschwimmenden Kornspeicher. Auf dem Rückweg lief ich über den dunklen Vorplatz des kleinen Bahnhofs, dessen Bodenschicht mit flachem Regen überzogen war. Vor einer Straßenlaterne wehten Eschen oder Schlehen und warfen eigentümliche Traversen und Winkelzüge aus fahlem gelblichem Licht auf die rundlichen Tonziegel.