#WHICH SIDE UP

Gruppenausstellung im KUNSTRAUM Potsdamer Straße und KUNSTRAUM digital

kuratiert von Hannah Blumas, Abie Franklin und Asta von Mandelsloh

"Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir oft nicht mehr unterscheiden können zwischen oben und unteninnen und außenanalog und digital und us und them. Müssen wir das überhaupt? Wie verändert sich unser Verständnis von Raum und Zeit, wenn wir uns von der Vorstellung einer Stabilität im öffentlichen und privaten Raum lösen? Es existieren unterschiedliche Versionen der Realität. Sie werden von Systemen aus räumlichen und moralischen Koordinaten getragen, die eine geradlinige Entwicklung annehmen. Indem wir nicht nur nach vorne blicken, sondern uns umsehen, können wir individuelle non-lineare Orientierungspunkte sammeln.

 

Teilnehmende Künstler*innen

Volo Bevza, Hannah Blumas, Abie Franklin, Daniel Hölzl, Victoria Pidust, Ximena Ferrer Pizarro, Robin Rapp, Jochen Andres Wiese

Wir möchten konstruierte Stabilisatoren einreißen, um jenseits konventioneller Koordinaten zu blicken. So soll versucht werden persönliche, gesellschaftliche und räumliche Hierarchien im Möglichkeitsraum der Kunst aufzuzeigen. Durch dessen Auflösungen werden erfahrbare Knowledge Spaces eröffnet, in denen die künstlerischen Positionen neue Möglichkeiten suchen, Inhalte neu zu verorten. Sie lassen Knotenpunkte los, die uns zum einen Sicherheit geben, aber diese gleichzeitig vortäuschen. Während der Versandaufkleber This Side Up auf die Fragilität des Inhalts hinweist, soll Which Side Up die Zerbrechlichkeit der Orientierung durch ihre Inversion hervorheben."

(Statement der Kurator*innen)

360°-Videos

Volo Bevza

Volo Bevzas (1993 in Kyiv, Ukraine) Ölgemälde entstehen im digitalen und analogen Wechselspiel. Ausgangspunkt sind figurative oder gegenständliche und somit klar erkennbare Motive, die Bevza schließlich in die Tiefen der Abstraktion treibt. Der Triptychon aus der Werkserie Metamorphose findet seinen Anfang in einem Selbstporträt des Künstlers, am Computer weiterentwickelt, nehmen die abstrahierten Formen Einfluss auf das Geschehen auf der Leinwand. In der Wiederholung dieses Prozesses wandern die Formen zwischen Leinwand und Software hin und her. Die Körper und Objekte, die dabei kreiert werden, erzeugen neue Räumlichkeiten die über eine 3-Dimensionalität lange hinauswachsen. Es entsteht eine physische Präsenz mit lebendigen Abstraktionen, die eine euphorische Orientierungslosigkeit erzeugen können, wenn wir uns dazu hinreißen lassen.

Abie Franklin

Abie Franklin (geb. 1995 in Jerusalem, Israel) formuliert mit seiner Installation eine Interpretation der Landschaftsmalerei, die die hierarchischen Beziehungen zwischen Betrachtenden, Werk, Subjekt und Objekt unterwandert. Die einzelnen Skulpturen und Gemälde sind Beobachtungen und Imaginationen von Räumen und Materialitäten, die der Mensch nur teilweise wahrnimmt, übersieht oder als leer empfindet: wie Wasser, die Tiefe des Ozeans und mikroskopisch kleine Organismen. Franklin visualisiert ihre Strukturen und überträgt sie in den Ausstellungsraum. Um die Agency dieser nicht-menschlichen Akteur*innen zu betonen, stellt er ihre materiellen Eigenschaften in den Vordergrund. Die Neuzuweisung von Agencies verlangt eine visuelle Umorientierung der räumlichen Positionierung. Die Arbeiten untergraben ein lineares Verständnis von Raum, indem sie spekulative Kartografien und eine strukturelle Veränderung der Wahrnehmung herbeiführen.

Daniel Hölzl

Daniel Hölzls (geb.1994 in Schwaz, Österreich) ortsspezifische Installationen verweisen auf die Prozessualität von architektonischen Bauelementen und Materialien aus dem täglichen Leben; seine fragilen Skulpturen bestehen für kurze Zeit. Ihre Überreste und das “Potenzial”, so der Künstler, überführt er in neue Arbeiten. parcel no. three mimikriert architektonische Elemente des Kunstraumes. Die Skulptur aus recyceltem Bio-Plastik interveniert spielerisch mit der linearen Raumorientierung. Auch in parcel no. one und parcel no. two verarbeitet Hölzl pflanzliche Materialien, die sich bei Feuchtigkeit auflösen. Mit modularen Formen baut Hölzl Flächen, Volumen und Räume nach und erweitert sie, bevor er sie wieder in sich zusammenfallen lässt, wie auch in der schmelzenden Wachsarbeit parcel no. four. inoperative no. one and two fangen Energievolumen in Wachs auf recycelter Kohlefaser ein. Auch diese Arbeiten haben keine Endform: ihre fragile Materialität entlarvt den allem zugrunde liegenden zyklischen Wandel.

Victoria Pidust

Victoria Pidust (geb.1992 in Nikopol, Ukraine) verarbeitet in ihren Werken gegenständliche Sujets, die sie fotografiert und anschließend in einem digitalen Bearbeitungsprozess von ihrer Struktur befreit. Pidust zersetzt Formen in Fragmente, verzerrt und setzt sie neu zusammen. Die Algorithmen der Software fügen dabei in der Modellierung der Fotografien fehlerhafte Elemente hinzu. So verwandeln sich die ursprünglichen Objekte in neue Hybride. Digitale und analoge Räume überlappen sich und verschmelzen zu einer vielschichtigen Realität. Gedruckt haftet den digitalen Bildern eine malerische Wirkung an. Pidusts neue Wirklichkeiten zeigen auf, wie selektiv und subjektiv Wahrheitsverständnisse und ästhetische Wahrnehmungen sind – und wie leicht sie sich dekonstruieren und manipulieren lassen.

Ximena Ferrer Pizarro

In Ximena Ferrer-Pizarros (geb. 1994 in Lima, Peru) Arbeiten spielt sich die Tragikomödie eines Migrationsprozesses ab, auf den Breitengraden von Autofiktion. Manchmal liebäugeln sie in furchtloser Übertreibung mit Charakterzügen einer Seifenoper. In ihren Bildern zeichnet sich das konfliktreiche Wechselspiel zwischen ihrer lateinamerikanischen und europäischen Ausbildung ab. In I had a stalker, Selfdestruction or boredom? und Sweep the floor with your hair ist die Krone ein wiederkehrendes Motiv und greift die Latina als Queen oder Princess auf. Ferrer-Pizarro spielt in ihren Telenovela artigen Darstellungen mit kulturell geprägten Moralvorstellungen bringt Witz in das Tragische und Selbstermächtigung in Momente der Schwäche: schonungslos, schräg und lustig.

Robin Rapp

Mit Ringboy und Wokuhl konfrontiert Robin Rapp (geb. 1991 in Bouaké, Elfenbeinküste) die Betrachtenden in einem oft weiß gerahmten Blick. Was und wen sehen wir, wollen wir sehen und wieso? Es ist ein Spätsommertag, doch die Regenwolken drohen bereits Unwetter an. Durch die Bilder schleicht eine untergründige Ebene, die nicht beim ersten Blick zwangsläufig wahrnehmbar ist. Manch eine*r spürt sie umso intensiver. Die zunächst spielerischen und unbedarft anmutenden Sujets durchzieht eine bedrohliche Spannung, die unermüdlich an der glatten Oberfläche kratzt. In ein und derselben Situation ergibt sich für unterschiedliche Körper ein Spektrum gefühlter, erlebter und imaginierter Sicherheit und Gefahr.

Jochen Andres Wiese

Seit Jahren sammelt Jochen Andres Wiese (geb. 1993 in Lima, Peru) Objekte, die ihn intuitiv ansprechen. In seiner theoretischen Abschlussarbeit ging er der Frage nach, was ihn zu der Akkumulation von mittlerweile über 1000 Objekten veranlasste. Ihre digitale Aufarbeitung und Verortung führte ihn in die komplexen Tiefen eines wahllosen und doch akribischen Archivs; das vorher ruhende Chaos war jetzt eine bedrückende Sammlung; die Formen und Details vergrößerten und verselbständigten sich zu abstrakten Abbildungen ihrer selbst. Um den Zugriff zu behalten, begann Wiese die Objekte mit 2D Drucken wieder ins Analoge zu übersetzen. Da Wieses Archiv zu einem integralen Bestandteil seines täglichen Lebens geworden war, bedeutet das Finden von Ordnung eine ständige Neubewertung und Reorganisation jedes seiner Bestandteile. In ähnlicher Weise lebt Wiese bei der Schaffung seiner Installationen in und mit den Räumen. Er gestaltet die räumliche Ordnung mehr als Option denn als Voraussetzung.

Silent Biases

Die Soundinstallation Silent Biases beschäftigt sich mit struktureller Diskriminierung im öffentlichen Raum. Anonyme Perspektiven verleiten dazu, die eigene Position und Orientierung kritisch zu hinterfragen. Die Audiokollage ist in vier Kapitel unterteilt und thematisiert beobachtete, erfahrene und selbst produzierte Diskriminierung. Luffa Schwammgewächse, in getrockneter Form zur Körperreinigung verwendet, umhüllen die Stimmen und schützen sie vor der nackten Öffentlichkeit. Der Akt des Wegschrubbens von angesammeltem Schmutz ist eine Analogie zum Freilegen der unter der Oberfläche verborgenen Strukturen von Diskriminierung. Ein sozio-archäologischer Ansatz, der die scheinbar saubere Oberfläche schrubbt. Die aggressive Färbung untermalt die Verunreinigung der scheinbar natürlichen Pflanzen. In unterschiedlichen Position gefangen und verbunden in dem drahtigen Netz, interagieren sie miteinander und grenzen sie sich voneinander ab. Aus dem einen Körper ist nur Stille zu entnehmen gibt denjenigen Stimmen eine physische Präsenz, die in unserem räumlich und gesellschaftlichen Ordnungssystem kein Gehör finden.

Installation: Hannah Blumas & Abie Franklin
Audios: Hannah Blumas, Franziska Pothou, Leonard Schulz & Anna Theobaldt

Ein Projekt von

studierendenWERK Berlin - Büro für Kultur & Internationales

Bereichsleitung

Mariona Solé Aixás (vertreten durch Nathalie Nicol)

Projektleitung + Ausstellungsbetreuung

Claudia Brieske

Kurator*innen

Hannah Blumas, Abie Franklin, Asta von Mandelsloh

Redaktionsteam

Sara Feilen

Moritz Kußmaul

Danilas Abukevicius

Jakob Urban

Social Media + Öffentlichkeitsarbeit

Theresa Brehm

Sara Feilen

Jakob Urban

Audiovisuelle Aufnahmen

Sara Feilen

Moritz Kußmaul

Danilas Abukevicius

Video-Schnitt

Sara Feilen 

Ausstellungsaufbau

Hannes Schützler

Gonçalo Sena

Uli Westphal

Webseite

Jakob Urban