20.05.2020

vorm schlafen

Mai 2020

meine letzten gedanken, bevor ich einschlafe, sind, oh, endlich, ich schlafe ein, und das macht mich dann wieder wach. ich wache manchmal frühmorgens hungrig auf und stelle mir vor, ich würde kuchen backen oder spiegelei braten. in diesen momenten vergesse ich, wie seltsam unsere welt gerade ist. ich denke nur, beinah instinktiv, an essen und schlafen, es ist erholsamer, in diesem stadium zu sein, als sich einfach einen verdammten kaffee zu machen und frühstück und in den tag zu starten. die tage sind konfrontativ und gehen schnell vorbei, am ende des tages muss man trotzdem überlegen, wie er angefangen hat, der tag.

meine letzten gedanken, jetzt echt die letzten, hoffentlich, sind die an die letzte reise:

wir fahren gemeinsam in die schweiz. die federbetten sind schwer und warm und die luft ist frisch. im ice habe ich eine schlaftablette genommen, ich wache kurz vorher auf, die schlaftabletten nehme ich eigentlich nicht mehr, aber wie schön es war, keine zeit zu spüren. das ist es an den schlaftabletten: selbst im traum vergeht keine Zeit. man läuft nirgendwo hin oder unterhält sich, es ist dunkel und hell, manchmal grün und manchmal gelb. dann ist es basel. ich folge den unterhaltungen.

es gibt frühstück, dass mir so gut schmeckt, dass ich angst habe, ich könnte gierig wirken. butter und käse und saure marmelade und zopf. hefezopf ist nur zopf. ist ja eigentlich auch klar, dass da hefe drin ist. dystopisch die vorstellung, hefe könnte mal umkämpft sein. ich lerne, wie man das frühstück nennt: z’nüni. man lässt noch einen kaffee raus.

manche konservative wurden von ihren konservativen eltern konservativ gemacht. ich wurde auch von meinen eltern konservativ gemacht, also nicht so, dass ich nicht weiter gerne bei demos gegen nazis rumschreie und fünf euro im monat an die grünen zahle. nicht so. nur so, dass ich tiefen sozialneid empfinde auf das haus mit dem garten und dem hund.

ich kann nicht entscheiden, ob mir zürich gefällt. ob es mir gefällt, dass du dort so attraktiv und sicher durch die straßen gingst, mir vorzustellen, wie du jemand küsst, an einer Ecke die ich zum ersten mal sehe. Beim spaziergang denke ich an eine badewanne, in die ich vielleicht kurz tauchen könnte. es gefällt mir an den meisten küchentischen, an die du mich nimmst, manchmal verstehe ich nicht so viel und abends bin ich oft sehr müde. manches lässt sich verstehen, kaffi und die sch-laute, wo man sie nicht erwartete.

im sommer sind wir wandern gegangen und mein erstes mal in den alpen hat mich mehr überrascht, mehr angestrahlt, als mein erstes mal in der wüste. das hätte ich nie gedacht. wir haben nach murmeltieren geschaut und ich habe tief geschlafen, meine träume rochen nach wiesenkräutern. wir wussten nicht, wie sicher wir uns sind. jetzt sind wir sicher. wir sind einander sicher.

auf dem rückweg müssen wir umsteigen und ich lasse beinahe meinen koffer bei dunkin donuts stehen. es fällt mir ein, als wir die treppe zum gleis im mannheimer bahnhof hochlaufen und ich renne los und den rest der zugfahrt lachen wir uns scheckig oder du schläfst in meinen armen.