21.06.2018

NOTES FROM AN EXHIBITION PERFORMANCE

Juni 2018

Irgendwo vom Regal kommt es her, ein hohles hölzernes Tocken, so laut, dass es die Hitze durchschneidet, die Stimmen auch. Wir stehen und hocken und sitzen. Kniekehlen kleben an Holzdielen und Fingerspitzen leicht aneinander, niemand hält richtig Hände. Schweißperlen sammeln sich, salzige kleine Seen in Drosselrinnen.

Apfelsaft, Zigarettenrauch, warmer Wein in Plastikbechern. Auf dem Boden in der Mitte vom Raum liegt eine gehäkelte Decke, sie hält den Platz frei.

Eine stehende, schwitzende Frau mit angemalten Augenbrauen, so spitz und ausdrucksvoll wie Hokusai Berge, nimmt unvorsichtig den Kopf von einem Mann der neben mir sitzt, nimmt ihn zwischen ihre Hände und dreht ihn mit einem schnellen Ruck, um sein Gesicht zu sehen. Sie erkennt ihn doch nicht, sie ist entsetzt und lässt schnell los. Die Luft bleibt stehen.

Eine 2D Frau kreuzt sich einmal zweimal dreimal, es geht so weiter, vielleicht kreuzt sie sich für immer. Sie hat Mehl am Kleid im Schoss, und wenn sie sich einmal fertig gekreuzt hat, legt sie ihre Hände kurz ab und hebt sie wieder, mehlbedeckt. Sie ist ganz weiß im Gesicht. Das ist es aber nicht, sie lenkt ab, man kann sie nicht ab- und das hohle hölzerne Tocken auch nicht aus-schalten.

Schöneberg, a Free Home.  Im Vorbeigehen über Buchrücken, in Reihen stehend und riechend wie nie angefasst, mit einem Finger fahren.  Suche und finde nicht das Schlafzimmer, sonst ist alles frei. (Verstehe hier nicht falsch: Gratis.)  Zähle Toilettenrollen bis es klopft. (Es sind viele.)

Upheaval: Stelle dir gigantische Formate vor. Serge steht da, wo die Decke mal war und redet, über Fenster und Riesen. Französische vasistas, was ist das, viereckige Fenster im Dach, in der Tür. Denk: Pferdeställe. Leere Sprachblasen entstehen. Er provoziert, klettert langsam eine Leiter hoch, Projektor an die Stirn getaped, selbst riesig. Wir recken unsere Köpfe hoch und zurück. Auf der Wand zeigt er zittrig world's tallest people im Internet: Anna Swan. Ein baseball player. In einem googledoc im Internet schreibt Serge, “Arms and legs apart, as wide as the blades of a mill, twice as high as the surface around the basket, an attentive spider and totally relaxed, thinking maybe of something else...”

“Today I want to see a giant.” Aber vom Flur kommen Stimmen, sie werden lauter und schlucken die Geduld und die Luft und den Raum, wir hören uns nicht mehr selbst atmen. Serge schrumpft Riesen. Unter uns blühen Schweißrosen. Der Drucker druckt nicht.

Und dann geht es nicht mehr, wir gehen, trotzdem geht es. Serge packt die Decke weg. Es gibt ein googledoc, rewriting, rethinking, und morgen eine andere Performance und übermorgen nochmal ganz was anderes. Und das Tocken? Und die Frau? Der Drucker? Ich bin bei den anderen Performances nicht da, obwohl ich mein Wort oder auch ein paar gab und auch irgendwie beteiligt war, the world’s tallest people im Internet gefunden habe, copy and paste, The Big Friendly Giant zitiert und über Barbies und Riesen-Kinder lange nachgedacht habe.

Ich habe ein schweres schlechtes Gewissen bis ich ein Foto bekomme, ich jogge, es pingt und vibriert, ich setzte mich auf eine Bank: Serge mit Clowngesicht, die Riesen schwappen und stampfen also in das Wochenende mit rein, ich jogge weiter.