03.07.2020

flughafen tegel

Juli 2020

es ist gut, dass der flughafen schließen wird, denke ich. es ist gut, es ist besser für die leute und mit dem lärm und so. dann denke ich an die meine tegelstarts und tegellandungen. es gab eine zeit lang so seltsame plakate von der fdp, die einen daran erinnerten, vielleicht geht er ja nun doch mal zu, dieser tegel.

im sommer kamen wir aus chicago wieder. meistens flogen wir über amsterdam zurück oder über madrid oder über london oder über paris. amsterdam mochte ich am liebsten. wir hatten viel gepäck von den wochen in den staaten. auf den wasserflaschen standen amerikanische quellen und schon beim start packte mich das fernweh, es löste das heimweh quasi direkterweise ab. wenn wir landeten, war es ende august in berlin. alles war grün. durch die taxifenster von tegel am tiergarten vorbei nach kreuzberg verschwomm alles in ein einziges grün. wenn wir in der fürbringerstraße ankamen, tranken wir als erstes leitungswasser das so gut schmeckte, wie das leckerste der welt schmeckte das berliner leitungswasser, nachdem es in chicago sehr stark gechlort war und dann immer noch gefiltert werden musste. die filterwasserflasche stand immer im zu kalten kühlschrank und man bekam kopfweh vom filterwasser. das war, weil das wasser in chicago vor allem aus dem lake michigan kam, sagte man mir. der lake michigan sieht aus wie das meer, wenn man am oak street beach steht und nach hinten schaut. in der ferne sieht man manchmal gary, indiana. wenn wir in tegel landeten ging der geschmack der fremden muttersprache auf den werbeplakaten mir schwer von den lippen, mein kindliches sprachzentrum hatte sich schon voll verlagert. oft sprudelten an der gepäckausgabe ermüdungstränen meine wangen herunter. die tränen kenne ich immer noch. zwischen den ankünften mit meinem vater in tegel und der letzten ankunft, mit meiner mutter, lagen auch einige ankünfte alleine, aber sie sind mir nicht wirklich geblieben, wohl, weil ich mich zusammenreißen musste und nach dem koffer schauen und in den bus steigen. die letzte ankunft, das letzte mal chicago, war nicht im grünen sommer sondern anfang januar. die plakate hinterließen den selben tegelnachgeschmack. auf dem klo schöpfte ich mir leitungswasser in den mund. einmal haben wir in tegel sogar freunde getroffen, die gerade in den flieger stiegen. in welchem anderen hauptstadtflughafen trifft man plötzlich zufällig leute, während man aussteigt, und macht klopfzeichen durch die glasscheibe, während die einen aufs boarding warten, die anderen auf ihre koffer?


wenn ich an tegel denke, denke ich an chicago. an den geruch der gärten, des rasens, der gesprenkelt wird, an den rost der schaukel. an das wasser. an den vollen kühlschrank, an den riesigen supermarkt, an die melonen, die nach melone schmeckten. an bagels und lachs, an familienstreits und geschrei, an den geruch von amerikanischem waschmittel in den straßengittern von downtown. daran, wie ich immer dachte, irgendwann ziehe ich hier hin, packe ich meine koffer, stelle mich in tegel an den checkinschalter und häufe mir massenhaft schulden auf für die uni. tegel schließt gemeinsam mit dieser vorstellung die türen, oder nicht?

tegel hat immer fernreise bedeutet. schönefeld hieß easyjet, schlechtes gewissen, wir sollten echt mal weniger. natürlich sollten wir auch von tegel echt mal weniger, finde ich, finden wir alle. auch vom flughafen berlin brandenburg.