02.07.2018

Die Tiere kommen.

Juli 2018

 

Erst Hummeln, die sich tot stellen. Vorm Fenster, am Fenster, im Fenster. Sie sind da, Flügel gespreizt, atemlos; ich blinke, dann sind sie weg. Es gibt ein Loch draußen in der Hauswand, davor ein Haufen abgebissene, ausgespuckte Wandstückchen, und ich vermute die Hummeln haben etwas damit zu tun.

Maikäfer in den Haaren. Bedrohlich brummen sie wie kleine Bären. Es gibt was Lebendiges, Hartes, etwas kaltes Lautes, wenn ich mir mit meinen Fingern die Haare aus den Augen streiche. Ich kriege Gänsehaut. Die Aufkleber die meine Großmutter auf ihre Geburtstagskarten an mich klebte, waren eine bunte Lüge. Maikäfer lächeln nicht.

Eine Mücke im Bett.

Kellerasseln im Kaffee.

Noch mehr Gänsehaut. Die Gänse, die gibt es auch noch, und Tauben, und Pfauen die lauter schreien als Eichhörnchen, lauter als Katzenkinder, so laut wie Füchse mit Tollwut.

Eine Wespe im Becks. Dann im Mund. Zweimal berühre ich sie mit meiner Zunge.

Ameisen im Gesichtswasser.

Spinnen in der Dusche, Frederick und Frederick und Ferdinand und Frederick: ich kann sie nicht auseinanderhalten aber sie, zumindest sie, sind auf meiner Seite.

Schmetterlinge im Bauch.

Hunderttausende unsichtbarer Tiere, die in und an meinem Körper wohnen. Als Kind schneidet man sich den Zeigefinger und schmiert das Blut auf eine Glasscheibe, um es unter einem Mikroskop zu stecken. Eindeutig. Da bewegt sich was. Seht ihr? Es wird geschrien am Esstisch, eine blutige Glasscheibe wird rumgewedelt. Diese Tiere, die aussehen wie wenn Libellen übers stille Wasser fliegen, aber nicht wie die Libellen selbst, sondern wie die Wasseroberfläche, wenn es fast gar nicht aber gerade genug von haut-, nein, von hauchdünnen Flügeln berührt wird, diese Tiere fliegen auch rum, die Eltern schreien laut mit und schmeißen sich unter den Tisch, Arme über den Kopf in lightening position, Augen zugekniffen.

Mehr Tiere kommen. Ein Hund zu Besuch.

Motten im Mehl.

Auch größere. Die Ziegen und Kamele brechen durch ihre Zäune in der Hasenheide, laufen gemeinsam zur Ampel und warten auf Grün. Dann ist es nicht mehr weit. Einmal über die Straße, dann sind es nur noch neun Kamel-, dreizehn Ziegenschritte. Es klingelt an der Tür. Ich bürste mir die Maikäfer von den Haaren, schüttle mich einmal kräftig, wie ein Hund, um die unsichtbaren kleineren ein wenig zu lockern und zu lösen, und dann mache ich auf.