24.09.2021

Blaugrün

September 2021

grüne dich ein. beforme dich, tastend, suchend, gibt es ein DIN, das passt, eingenormt, abgepackt, in wälder wie deine! unter den füßen spürst du zu weilen nässe und du machst die Augen zu, da läufst du nicht mehr über diese straße sondern über feuchte erde, die da liegt wie weicher, kühler durchgesuppter cornflakesbrei. manchmal haben dir in deinem leben große prustende münder zu gegrölt, du hättest einen riss in der optik und du hast die schultern hochgezogen und genickt, dann weiter überlegt wie man fliegenpilze zum summen bringt. bist fast verschwunden in den ritzen, die andere dir aufgetan haben, aber nur fast. du hast schon mal seife getrunken. du hast schon mal strohhalmenden aus plastik zwischen deinen vorderzähnen eingequetscht. in diesen rissen, da ist es ganz still. da ist diese stadt eine mittelgroße portion suppe, die gemächlich auf dem herd vor sich hinkocht und fertig ist in fünf minuten wartezeit, die du auf einem holzstuhl an einem holztisch wartend verbringst, während der himmel noch immer die farbe beibehält eines überteuerten drinks in einer dieser bars in neukölln ohne stühle. in diesen rissen verliert sich das wahnsinngsgebrüll der sirenen, die singend auf baugittern hocken und vibrationsstampfer dirigieren. in deinem riss ist die angst vor der totalen psychose nur klein. in deinem riss wachsen bäume.

unter denen kann geschlafen werden. da fällt dir ein laubblatt auf die nase, aber es weckt dich nicht. unter den bäumen ruhen gebeine ohne furcht vor dem sterben. fangen grölende münder an zu schnurren. so läufst du weiter diese straße lang, in deinen sneackern barfuß auf nassen grün. vor dir sirenen, die heulen; männer mit dicken bäuchen, die fliegen; zerquetschte tomaten und ein paar die kullern. verdreckte ledermäntel reiben die rissigen hände, plüschpantoffeln zerren an tierleinen und pfützen triefen vor frittierfett. du schaust dich um, während der lärm nicht lauter wird, aber weniger ausblendbar. es könnte der moment sein, wo jemand lacht und du angst bekommst, weil jede hautfalte des gegenübers sich ausbreitet zu einem expandierenden pudding, in dem du ertrinkst. dann tragen freund*innen keine namen mehr, die du kennst, es sind hüpfende fratzen fremder gestalten, die von kirchendächern springen. es gibt die momente, in denen du nicht mehr einschätzen kannst, ob es unwahrscheinlich ist, dass dich jemand töten möchte oder nicht. überall grölende münder. überall wespennester. aber du schläfst doch unter bäumen. und weiter entlang läufst du diese straße. sieh zu, wie da was sprießt, ab und an. vögel in den süden ziehen. tauben vor zufriedenheit auf bordsteine scheißen. in deinen rissen plätschert der bach. da stehst du auf dieser straße und schaust dich um.

siehst den fuchs dir folgen in deine risse. er hat leichte pfoten und ernährt sich von müll. er kann tapern über straßenberge und schlafen unter tannen. er hat eine höhle wie du deine risse hast. es ist als schaust du der person in die augen, die dich verlassen hat. als der himmel die farbe von fusel angenommen hatte, den du in bars bekommst für eine stunde mindestlohn. der himmel war zum kotzen an diesem tag, an dem du zurückgewankt bist in deine risse, mit eingezogenem schwanz. all das hat der fuchs gesehen, das weißt du. er kann die angst riechen, die du vor freund*innen bekommst ab und an, wenn ihre zähne blitzen. er hat dich kommen und gehen sehen. auf dieser straße hin und her. er weiß, dass du darauf achtest die hände von obdachlosen nicht zu berühren, aus ekel. vielleicht hat er dieselbe augenfarbe wie so und so er. vielleicht folgt er dir immer. frisst fliegende männer hinter dir. spricht mit den enten über monogamie. du weißt er wartet unter der brücke auf dich, nur sein schwanz schaut aus deinen rissen. du siehst den ast in seinem maul, er stammt aus deinen wäldern. er riecht nach der asche deiner feuer. es raschelt auf der straße, die vor dir liegt, wie ein kalter stein. du bist nicht alleine mit diesem lachen. du gehst nicht alleine in den wald.

Malerei: Momo Bera

Malerei: Momo Bera